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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 07.11.2005
Aktenzeichen: 7 W 62/05
Rechtsgebiete: GmbHG, ZPO
Vorschriften:
GmbHG § 85 | |
ZPO § 383 Abs. 1 Nr. 6 |
Oberlandesgericht Karlsruhe 7. Zivilsenat Beschluss
Geschäftsnummer: 7 W 62/05
07. November 2005
In dem Zwischenstreit
wegen Zeugnisverweigerung
Tenor:
I. Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird das Zwischenurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 02.09.2005 - 2 O 152/04 - geändert.
Die Verweigerung des Zeugnisses durch den Antragsgegner ist nicht berechtigt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Zwischenstreits.
III. Der Streitwert für den Beschwerderechtszug wird auf 30.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Kläger haben von der Beklagten eine Eigentumswohnung erworben und begehren mit der Behauptung, ihnen sei eine ständige, infolge einer mit unzureichendem Gefälle verlegten Abwasserleitung entstehende Geruchsbelästigung beim Kauf arglistig verschwiegen worden, Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 463 BGB a. F. Sie haben sich wegen der Kenntnis der Beklagten vom Mangel auf das Zeugnis des Antragstellers berufen, der beim Verkauf der Wohnanlage an die Beklagte 1998 Geschäftsführer der damaligen Verkäuferin (D. P. Wohnbau GmbH) gewesen ist und den Vertrag für diese abgeschlossen hat.
Dementsprechend hat das Landgericht am 29.10.2004 beschlossen, durch Vernehmung dieses Zeugen Beweis über die Behauptung der Kläger zu erheben, der Beklagte sei im Rahmen des Kaufvertrags von Vertretern der Fa. D. P. Wohnbau GmbH über den Mangel aufgeklärt worden. Nachdem der Zeuge zunächst schriftliche Auskünfte (§ 377 ZPO) gegeben hatte, hat das Landgericht ihn gem. 273 ZPO mit dem voraussichtlichen Beweisthema wie im Beschluss vom 29.10.2004 zum Termin geladen. Der Antragsgegner hat sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, weil er nach seinem Dienstvertrag als Vorstand der W. R. -M. AG (Rechtsnachfolgerin der Fa. D. P. Wohnbau GmbH) und Geschäftsführer dieses Unternehmens zur Verschwiegenheit auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses über alle vertraulichen Angelegenheiten der Gesellschaft, insbesondere über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse verpflichtet sei.
Das Landgericht hat mit Zwischenurteil vom 02.09.2005, auf das wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, die Zeugnisverweigerung für berechtigt erklärt.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Kläger.
II.
1. Über die Weigerung eines Zeugen vor dem zu seiner Vernehmung bestimmten Termin und den Antrag der Klägerseite, über die Berechtigung dieser Weigerung zu entscheiden (in der Rüge der Kläger, die Weigerung sei unzulässig, liegt der erforderliche Antrag; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 387 Rn. 2) hat das Landgericht durch Zwischenurteil zu entscheiden. Parteien des Zwischenstreits sind allerdings allein die Kläger und der Zeuge, nicht aber die Beklagte, die auf den Zeugen verzichtet hat (Schriftsatz vom 14.07.2005). In ihrem Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen ist ein Beitritt zum Zwischenstreit auf Seiten des antragstellenden Zeugen zu sehen.
2. Die sofortige Beschwerde ist kraft ausdrücklicher Vorschrift (§ 387 Abs. 3 ZPO) statthaft und auch im übrigen zulässig. Sie ist begründet.
a) Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass der Antragsteller als (ehemaliger) Geschäftsführer einer GmbH unter den Personenkreis fällt, der nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sein kann. Dort ist dieser Kreis dahin beschrieben, dass den ihm angehörende Personen kraft ihres Amtes, Stands oder Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist.
§ 85 GmbHG stellt die unbefugte Offenbarung eines Geheimnisses der Gesellschaft, namentlich eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses u. a. durch einen Geschäftsführer unter Strafe und ist nach ganz herrschender Meinung die gesetzliche Vorschrift, die die Zugehörigkeit eines (auch ehemaligen) Geschäftsführers einer GmbH zu dem Personenkreis begründet, der zur Verweigerung des Zeugnisses nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO berechtigt sein kann (Scholz/Tiedemann, GmbHG, 9. Aufl. § 85 Rn. 23; Zöller/Greger a. a. O., § 383 Rn. 20; Damrau in Münchner Kommentar - ZPO, 2. Aufl., § 383 Rn. 38; OLG Koblenz, NJW-RR 1987, 809; OLG München, NJW-RR 1998, 1495 m. w. N.; anderer Ansicht a. A. Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., § 85 Rn. 21). Anvertraut im Sinn der Bestimmung ist nicht nur, was dem Zeugen im engeren Sinn anvertraut worden ist, sondern alles, was er aufgrund seiner Vertrauensstellung oder im Zusammenhang damit erfahren hat, gleichviel ob die Kenntnis auf einem besonderen Vertrauensakt beruht oder nicht (BGH NJW 2005, 1948, 1949 m. N.).
b) Über welche Tatsachen das Recht besteht, das Zeugnis zu verweigern, hängt dagegen nicht allein von dieser Kenntnis im Sinn des Anvertrautseins ab, sondern davon, ob sich auf sie nach dem einschlägigen Berufsrecht die Verpflichtung zur Verschwiegenheit bezieht (BGH a. a. O.).
Das Landgericht geht insofern davon aus, dass der Zeuge über Vertragsgespräche auszusagen habe, deren Einzelheiten nicht für außenstehende Personen bestimmt waren, so dass sie schon deshalb als Unternehmensgeheimnisse anzusehen seien. Dies allein reicht aber für ein Zeugnisverweigerungsrecht nicht aus. Das Recht wird nicht schon wegen einer Absprache im Anstellungsvertrag des Zeugen mit der Gesellschaft gewährt, sondern nur dann, wenn tatsächlich ein Geheimnis auch im Sinn eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses vorliegt, mit anderen Worten also eine Tatsache, die ihm Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb steht, nicht offenkundig ist, vielmehr nur einen eng begrenzten Personenkreis bekannt ist (BGH NJW 1996, 2576). Davon mag hier noch ausgehen sein; die Verpflichtung zur Verschwiegenheit und das korrespondierende Recht, das Zeugnis im Zivilprozess zu verweigern, setzt aber weiter voraus, dass die Gesellschaft ein berechtigtes, nach objektiven Kriterien zu bestimmendes Interesse an der Geheimhaltung hat, damit nicht bei Bekanntgabe der Tatsache der GmbH möglicherweise ein materieller oder immaterieller Schaden zugefügt werde, insbesondere ihre Wettbewerbsfreiheit bedroht werden, ihr Ansehen gemindert und das Vertrauen in sie verloren gehen könnte (BGH a. a. O.). Ob darüber hinaus ein Wille der Gesellschaft zur Geheimhaltung erforderlich ist, ist - zumindest in den Einzelheiten - umstritten (vgl. Schulze-Osterloh a- a. O., § 85 Rn. 11; Kohlmann in Hachenburg, GmbHG, 9. Aufl., § 85 Rn. 26; Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl., Rn. 7; Tiedemann a. a. O., § 85 Rn. 7). Jedenfalls kann ein solcher Wille nicht allein das Geheimhaltungsinteresse begründen, weil sonst eine willkürliche Einordnung einer Tatsache als Geheimnis die Voraussetzungen der Strafbarkeit bestimmen würde (OLG München a. a. O.; Tiedemann a. a. O.).
c) Ein Geheimhaltungsinteresse in diesem objektiv berechtigten Sinn kann hier nicht angenommen werden. Auch wenn die Auskunft bzgl. beabsichtigter oder bereits geschlossener Verträge grundsätzlich zu den geheim zu haltenden Tatsachen gezählt werden mag, ist hier doch von Bedeutung, dass die Mitteilung von Mängeln des damaligen Kaufgegenstandes von vornherein Dritten gegenüber (den Käufern nämlich) erfolgt und schon deshalb zweifelhaft ist, ob es sich überhaupt (noch) um ein Geheimnis handeln kann. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, wie die Tatsache erfolgter oder unterbliebener Unterrichtung des Käufers über Mängel geeignet sein soll, der von dem Zeugen vertretenen GmbH einen wie immer gearteten Schaden insbesondere hinsichtlich ihrer Wettbewerbsfähigkeit oder bzgl. ihres Ansehens im geschäftlichen Verkehr zuzufügen, handelt es sich doch ganz offensichtlich bei dem Umfang des damaligen Geschäfts (dieses selbst ist kein Geheimnis, weil bekannt) um einen ausgesprochenen Nebenpunkt. Es sind seinerzeit Grundstücke mit insgesamt 286 Wohneinheiten für einen ganz erheblichen Kaufpreis veräußert worden, wie sich aus dem von der Fa. V. R. -M. vorgelegten Kaufvertrag vom 06.11.1997 ergibt.
Von alledem abgesehen zeigt schon die Vorlage dieses Vertrags auf Anordnung des Landgerichts nach § 143 ZPO, dass die Verkäuferin (die V. handelt in deren Auftrag) an der Geheimhaltung kein Interesse hat, weil sie selbst sich nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht (§ 143 Abs. 2 i. V. m. §§ 383, 386 ZPO) berufen hat. Ob hierin auch die Entbindung des Zeugen von einer etwaigen Verschwiegenheitspflicht liegt, kann offen bleiben.
d) Die Kosten der erfolglosen Weigerung sind dem Zeugen aufzuerlegen (§ 91 ZPO; Zöller/Greger, § 387, Rn. 5). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf einem der Bedeutung der Aussage für den Ausgang des Rechtsstreits angemessen Bruchteil der Hauptsache.
Ende der Entscheidung
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